K. Rosen: Augustinus: Genie und Heiliger

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Titel
Augustinus: Genie und Heiliger. Eine historische Biographie


Autor(en)
Rosen, Klaus
Erschienen
Darmstadt 2015: Philipp von Zabern Verlag
Anzahl Seiten
256 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Stefan Bojowald, Abteilung für Ägyptologie, Institut für Archäologie und Kulturanthropologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

An Augustinus-Biographien mangelt es nicht, wie Vf. in seinem Vorwort zu denken gibt: «Was soll da noch eine weitere Biographie?» (10). Die Berechtigung für das vorliegende Werk sieht er darin begründet, dass geläufige Augustinus-Biographien v. a. das philosophische bzw. theologische Denken in den Vordergrund rücken, wogegen Vf. selbst die historische Komponente stärker herausarbeitet (daher auch der Untertitel). Mit vorliegendem Werk gelingt in der Tat der Brückenschlag zu einem synthetischen Blick auf Augustinus als historischer Gestalt. Dessen Bedeutung für die okzidentale Geistesgeschichte wird ohne viel Aufsehen, aber nachdrücklich im Nachwort (219) verdeutlicht. Im Vordergrund der Biographie steht Augustins Leben im Kontext seiner Zeit, seiner persönlichen Kontakte und seiner Kultur, unter angemessener Berücksichtigung der prägenden philosophischen und theologischen Einflüsse, soweit dies dem Verständnis der Person des Augustinus dient – was zugegebenermassen nicht selten der Fall ist.

Dass es nicht das eine und einzige historische Bild des Augustinus geben kann, macht der Herausgeber der Reihe «Gestalten der Antike», Manfred Clauss, in seinem Vorwort deutlich; zugleich verweist er auf die anhaltende Bedeutung, die Lebensbeschreibungen historisch bedeutsamer Gestalten für den Leser haben und untermalt die Herausforderung, der sich der Biograph zu stellen hat (8).

Die Gliederung des Buches (5f) ist übersichtlich und verständlich; hier wird bereits deutlich, dass keinesfalls ein einseitiges Interesse leitend ist, werden doch die verschiedenen Lebensetappen, untergliedert in 17 Teile (beginnend mit «Der Junge aus Thagaste», «Der Student in Karthago», oder später auch «Die Bekehrung» wie auch die Zeit als Priester und Bischof in Hippo), ausgewogen behandelt. Der Leser fühlt sich durch den sprachlich sehr ansprechenden Stil und die hohe Anschaulichkeit des Geschilderten in der Tat mit hineingenommen in das Leben im spätantiken römischen Reich mit seinen verschiedenen geistesgeschichtlichen Strömungen, und in die Lebensgeschichte(n) Augustins.

Bemerkenswert ist, wie Vf. menschliche Züge Augustins herausarbeitet und dabei ein hohes Einfühlungsvermögen an den Tag legt (vgl. beispielsweise die Schilderung der jungen Jahre in Thagaste oder die Bedeutung, die Augustinus der Freundschaft beimass; vgl. aber auch die Schilderungen zur Mutter Monnica im Abschnitt VIII.). Insbesondere in Bezug auf die ersten 20 Lebensjahre Augustins ist jeder Augustinus-Biograph stark auf die Confessiones verwiesen, so auch Vf. Mit gesundem Realismus, der bei einer historischen Rekonstruktion recht am Platz ist, gelingt Vf. die Verknüpfung zwischen «autobiographischen Einblenden», also Augustins Selbstaussagen, und historischen Fakten.

Nicht verborgen bleibt dabei, dass Augustinus ein gewisses Geltungsbedürfnis und einige Eitelkeiten hatte, die er rückblickend auf sein Leben immer wieder bekennt. Durch die historischen Kenntnisse des Vf. gelingt die Einordnung verschiedener, von Augustinus selbst als prägend herausgestellter Vorkommnisse, auch den Lebenswandel betreffend, in den weiteren gesellschaftlichen und zeitgeschichtlichen Kontext. Selbstaussagen Augustins und Schilderungen zu seinem Leben, wie etwa den berühmten Griff zur Bibel («Nimm und lies!») bei seiner Bekehrung, werden dabei elegant in einen kritischen Horizont eingeordnet.

So erfährt der Leser beispielsweise, dass das Konkubinat, in dem Augustinus zu leben sich entschlossen hatte, in der römischen Gesellschaft eine «anerkannte Verbindung» darstellte, wenngleich zur Ehe nur die «juristische Bestätigung fehlte» (23), und dass auch die Kirche dies geduldet hat, sofern dadurch ein bestehendes Eheverhältnis nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ohne den Manichäismus eingehend und gesondert zu behandeln, gelingt es Vf., dem Leser einen Eindruck zu vermitteln, wie die manichäische Lebenspraxis und Weltanschauung auf Augustinus selbst gewirkt haben mögen. Etwas fremd mutet an, dass Vf. dem Gedanken einer bisexuellen Veranlagung oder homosexuellen Interessen Augustins aufgrund der von ihm gepflegten Männerfreundschaften nachgeht, was Vf. selbst argumentativ als nicht haltbar ablehnt: Wer (in der Forschung?) diesen Gedanken formuliert hat, lässt Vf. offen.

Vf. bewegt sich grundsätzlich auf der Höhe der Zeit, was die Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse betrifft (vgl. dazu auch die bibliographische Auswahl, 250−253); dies kann nicht verwundern, ist Vf. doch ausgewiesener Kenner der spätantiken Geschichte und hat bereits einige Werke zu einzelnen Themen und Gestalten dieser Epoche vorgelegt. Mit Leichtigkeit werden die Autoren philosophischer Werke, mit denen Augustinus sich befasst hat, und die Kernaussagen dieser Werke in den Fluss der Darstellungen eingewoben, sodass der nicht fachkundige Leser en passant informiert wird. Selbiges trifft v. a. in Bezug auf die zweite Lebenshälfte theologische und kirchliche Kontroversen zu.

Vorliegende Biographie schliesst in der Tat eine Lücke auf dem deutschsprachigen Buchmarkt, wenn es um Augustinus-Biographien geht. Insbesondere derjenige, der sich erstmals über Augustinus kundig machen möchte, findet eine markante Darstellung der Persönlichkeit wie auch hilfreiche Einblicke in die zeitgeschichtlichen Strömungen und das soziale Leben, ohne dabei in Allgemeingültigkeit zu verfallen – ganz im Gegenteil. Insofern stellt das Werk eine wunderbare Ergänzung dar und dürfte auf lange Sicht auf Interesse stossen. Aber auch, wer sich bereits mit Augustinus und seinen Werken befasst hat, findet hier manche Überraschung. Wer sich vertiefend und spezifisch mit theologischen und kirchengeschichtlichen Einblicken befassen möchte, wird darüber hinaus ergänzend zu den Klassikern von Peter Brown (Augustine of Hippo. A Biography) oder Serge Lancel (Saint Augustin) greifen, um sich kundig zu machen. Mit vorliegendem Werk dürfte ein Meilenstein gesetzt sein, was moderne Biographieschreibung zu Augustinus betrifft. Positiv hervorzuheben ist zudem, dass Vf. im Vorwort einigen Mitarbeitern persönlich dankt, ohne deren Hilfe dieses Werk in der Weise nicht vorliegen würde. Eine gelungene Teamarbeit, deren Ergebnis weiterzuempfehlen ist.

Zitierweise:
Thomas Fries: Rezension zu: Klaus Rosen, Augustinus. Genie und Heiliger. Eine historische Biographie (Gestalten der Antike), Darmstadt, WBG, 2015. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 109, 2015, S. 388-389.

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